"Miss Hokusai" von 2015 basiert lose auf einem Manga von Hinako Sugiura aus den 1990er Jahren. Keiichi Hara (u.a. Summer Days with Coo) machte sich mit dem renommierten Animationsstudio Production I.G. (u.a. Ghost in the Shell) an die anspruchsvolle Aufgabe, diesen episodisch in Kurzgeschichten erzählten Manga in einem 90-minütigen Handlungsstrang auf die große Leinwand zu bringen. Dort lief er auch bisher sehr erfolgreich und konnte unter anderem auf dem Internationalen Festival für Animationsfilme Annecy und dem Fantasia International Film Festival bedeutende Preise einheimsen.
Der Film erzählt die teils fiktionalisierte Geschichte von O-Ei, einer der Töchter des bedeutendsten Vertreters der japanischen Malerei im japanischen Mittelalter, Katsushika Hokusai. Hokusai, der international insbesondere durch sein Werk "Die große Welle vor Kanagawa" (ca. 1830) Berühmtheit erlangte und das auch innerhalb des Films in einer Szene eine prominente Rolle einnimmt, ist im Film der Workaholic Tetsuzô. Neben seinen Gemälden, die erfolgreichsten darunter opulente Drachenbilder und erotische Szenen, durchaus auch nicht den schönen Kurtisanen im Bordellviertel Yoshiwara abgeneigt, verbringt er den Tag mit seiner ältesten Tochter O-Ei und einigen seiner Schüler, die jedoch eher schlecht als recht mit Talent gesegnet sind. Wo selbst der Meister schwächelt, muss die Tochter ran. Und so gilt O-Ei bald als die Meisterin der erotischen Malerei im Haus. Ihr Können verdankt sie dabei ebenso "Feldforschungsarbeiten" in Yoshiwara, was in einer witzigen Szene gegen Ende des Films verdeutlicht wird. Überhaupt ist auffällig, dass ein klassischer Plot bzw. ein Ziel, auf welches im Laufe des Films hingearbeitet wird, so gut wie nicht vorhanden ist. Hara strickt seine Geschichte vielmehr um lose verknüpfte Episoden aus dem Leben O-Eis, einer Figur, die in der Mangavorlage nur eine unter vielen war. Dass er es dennoch schafft, das ganze frisch und unverbraucht sowie in einem flüssigen Erzähltempo erscheinen zu lassen, zeugt von der Meisterschaft Haras.
Angereichert sind die Szenen aus dem täglichen Leben der Truppe (Warten auf Aufträge, der Malprozess selbst, Spaziergänge durch die Stadt Edo) mit fantastischen Szenen aus der Geisterwelt Japans, die geschickt mit den ihnen zugrunde liegenden Gemälden verknüpft werden. Für Lacher sorgen immer wieder die Auseinandersetzungen zwischen den eher einfach gestrickten männlichen Maleranwärtern und der toughen O-Ei, die wahrlich kein Blatt vor den Mund nimmt, um ihre Position zu behaupten. Auch den sozialen Umständen der Familie Hokusai wird viel Raum geschenkt und so kommt es zu ergreifenden Szenen zwischen dem alten Maler, O-Ei und seiner jüngsten Tochter O-Nao, welcher, blind geboren, von ihrem Vater nie die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde, im Finale dann aber doch, so wie sie ist, akzeptiert wird.
Ein weiteres Zugeständnis an die Moderne, das Hara einzugehen bereit ist, liegt in der Verwendung von gitarrenlastiger Rockmusik in Schlüsselszenen des Films, was diameträr zu der Erwartungshaltung des Publikums geschieht. In einem solchen Setting vermutet man eher die Biwa-Laute oder Shamisen-Klänge statt Gitarrenriffs.
Alles in allem hebt sich der Film wohltuend vom Gros der hierzulande erhältlichen Anime-Titel ab, schafft es mit seinem historischen Setting in Kombination mit modernen Elementen vielleicht sogar, eine neue Zielgruppe für den japanischen Animationsfilm zu begeistern und stellt mit seiner starken zentralen Frauenfigur darüberhinaus auch einen Spiegel des heutigen Zeitgeistes dar. |